Irgendwie hegt doch so ziemlich jedes Kind denselben Traum: Einmal verwegen wie Huckleberry Finn auf einem Floß zu schippern, immer dem Abenteuer entgegen. Als Kind ging dieser Traum für mich leider nie in Erfüllung. Dafür aber an einem wunderschönen spätsommerlichen Septemberwochenende 2015. So versammelten sich eine Handvoll liebster Freunde im Örtchen Neustrelitz um gemeinsam die “wilden Fluten“ bei einer Floßfahrt auf der Mecklenburgischen Seenplatte zu bezwingen. Im Gepäck: ein Hund, ein Faltboot, ein Baby und jede Menge Proviant. Schließlich soll ja keiner verhungern oder verdursten.
Die Mecklenburgische Seenplatte als Reiseziel
„Das Land der 1.000 Seen“ wird die Mecklenburgische Seenplatte auch liebevoll genannt. Und das nicht ohne Grund: Schließlich fügen sich hier über 1.000 Seen und ein 600 Kilometer langes Fluss- und Kanalnetz zusammen und bilden gemeinsam das größte Wassersportrevier Mitteleuropas. Darüber hinaus ist die Mecklenburgische Seenplatte mit einmaligen Naturschätzen gesegnet: Dem 322 km2 großen Müritz-Nationalpark, dem UNESCO-Weltnaturerbe „Alte Buchenwälder“ und vier herausragenden Naturparks (Naturpark Mecklenburgische Schweiz und Kummerower See, Naturpark Sternberger Seenland, Naturpark Nossentiner/Schwinzer Heide, Naturpark Feldberger Seenlandschaft). Und das direkt vor den Toren Berlins. Die deutsche Hauptstadt ist nämlich lediglich eine Stunde mit der Bahn entfernt.
Egal ob beim Paddeln, Segeln, Wandern, Radfahren oder beim Urlaub auf dem Hausboot – bei den riesigen Ausmaßen der Mecklenburgischen Seenplatte findet hier jeder ein ungestörtes Plätzchen. Dabei übt nicht nur die Vielzahl der Gewässer sondern auch die umliegende, abwechslungsreiche Landschaft einen ganz besonderen Charme aus. Geschützte Naturgebiete, verträumte Dörfer, charmante Gutshöfe und verwunschene Schlösser wechseln sich in regelmäßigen Abständen ab und laden zum Landgang ein. Wer über Nacht bleibt, dem bieten sich eine große Auswahl an lauschigen Anlegestellen, Campingplätzen und Unterkünften und ein von Lichtverschmutzung ungetrübter Blick in den funkelnden Sternenhimmel.
Faszination Floß: Floßfahren auf der Mecklenburgischen Seenplatte
Dass in den meisten von uns noch ein Kind schlummert, das wie Tom Sawyer und Huckleberry Finn in Mark Twains Jugendbuch “Huckleberry Finns Abenteuer” davon träumt, einmal auszubrechen, Abenteuerluft zu schnuppern und das unbändige Gefühl von Freiheit zu erleben, zeigt sich an der Mecklenburgischen Seenplatte nur allzu deutlich. Warum sonst sollten so viele Flöße dort herumschippern?
Na gut, vielleicht liegt es auch daran, dass die Mecklenburgische Seenplatte mit ihrem weit verzweigten Netz an Seen, Flüssen und Kanälen geradezu für einen Floß- oder Hausbooturlaub geschaffen ist. Die Angebotspalette reicht vom winzig kleinen Naturfloß mit Zeltaufbau oder Hütte bis zum riesengroßen schwimmendem Bungalow. Schlafen kann man auf den meisten Flößen, lediglich das Level an Komfort unterscheidet sich enorm. So können sich die sanitären Anlagen von nicht vorhanden über eine Campingtoilette bis hin zu einem echten Badezimmer mit Dusche und Toilette bewegen.
Da viele Flöße ohne Bootsführerschein zu steuern sind und für die großen bei der Einweisung ein Charterschein gemacht wird, fällt der Einstieg auch für Floß-Anfänger leicht. Die wichtigsten Regeln bekommt man bei der Einweisung mitgegeben und nachdem der mitgebrachte Proviant an Bord verstaut ist, kann das Floßabenteuer auch schon beginnen! Ein kleine Zitterpartie ist das erste Mal mit dem Floß eine Schleuse zu passieren. Diese gleichen die Höhenunterschiede zwischen den verschiedenen Seen, die im Nachhinein mit Kanälen miteinander verbunden wurden, aus. Aber nur Mut, je kleiner das Floß, desto einfacher die Handhabung. Wer es einmal hinter sich gebracht hat, wird merken, so schlimm ist es gar nicht!
Floßfahrt auf der Mecklenburgischen Seenplatte: Anreise und Übernahme
Unser Floß-Vermieter trägt den Namen des halbwüchsigen Freundes von Huckleberry Finn: Tom Sawyer. Ein gutes Omen, so denke ich mir. Mit dem Proviant auf Karren gestapelt machen wir uns auf den Weg über den Bootssteeg. Zum Floß. Doch hier liegt nicht nur eines, nein, vor uns liegt die komplette Palette des Floß-Vergnügens. Ob miniklein mit Zeltaufbau oder riesengroß, einem Bungalow auf dem Wasser ähnelnd. Unser “TS660” – so der offizielle Name – trägt den Namen Jim und bietet mehr als genug Platz für 8 Personen.
Vorne eine große Plattform, ein Häuschen mit ausreichend Sitzmöglichkeiten, Arbeitsplatte, Tisch und Campingtoilette (über das Kloexperience kann ich leider nicht berichten, da wir diese nicht benutzten) und hinten nochmal eine kleine Plattform, an der auch die Leiter für Badefreunde befestigt werden kann. Darüber hinaus kann man auch das Dach beklimmen. Aufgrund des Aussehens sofort liebevoll “Gartenlaube” getauft, wird unser Häuschen eingeweiht und mit Proviant bestückt. Es folgen eine kurze Einführung und Inspektion des Floßes und dann endlich heißt es “Leinen los!”.
Floßfahrt auf der Mecklenburgischen Seenplatte: Erste Eindrücke
Doch wir kommen nicht weit. Nachdem der Motor anfangs zufrieden vor sich hin schnurrt und wir gemütlich vorankommen geht nach kurzer Zeit nichts mehr. Der Motor qualmt und stottert, wir kommen nur noch im Schneckentempo voran. Ein Blick aufs Wasser verrät das Übel. Wir stecken inmitten der Algen. Da hilft wohl nur noch eines: Paddel schnappen und mit Muskelkraft aus dem Algenfeld paddeln. Merke nach 15 Floßminuten: Immer auf der richtigen Seite der Bojen fahren.
Nachdem wir das Algenfeld erfolgreich hinter uns gelassen haben und das per Gaskocher erwärmte Wasser für die erste Runde Tee und Kaffee gesorgt hat wird es Zeit für ein richtiges Frühstück. Dieses haben wir nämlich aufgrund der Frühe der Floßübernahme (9 Uhr) aufs Floß selbst verlagert. Und was für ein Mahl da vor meinen Augen aus der Kühltasche hervorgezaubert wird (ich selbst war für die Floß-Orga zuständig, daher hatte ich keine Ahnung was es an Essen geben würde): Knusprig-frische Brötchen, Wurst und Käse in jeweils 10 Sorten, Tomaten, Eier, selbstgemachte Marmelade, Honig, Kekse, Schokolade uvm. Lecker! Und mit einem Ausblick auf das Wasser und die vorbeiziehenden Boote, deren Besitzer uns freundlich zuwinken schmeckt das Frühstück gleich zweimal so gut.
Floßfahrt auf der Mecklenburgischen Seenplatte: Schleusen-Erfahrung
Nach einem ausgiebigen Frühstück holen wir unseren Anker ein und machen uns auf den Weg durch den Kanal zur Schleuse. Diese verbindet den Zierker See mit dem wesentlich tiefer liegenden Woblitzsee. Alsbald kommen wir bei der Schleuse an. Doch hier ist erstmal kein Weiterkommen. Wir legen an und warten. Anfangs überlegen wir ob der Schleusenwärter wohl Mittagspause macht. Doch ein Schild weißt darauf hin, dass diese Schleuse eine “Selbstbedienerschleuse” ist. Woran liegt also die lange Wartezeit? Das Geheimnis lüftet sich nach ca. 45 weiteren Warteminuten. Die Schleuse öffnet sich und heraus kommt – ein Berufsschifffahrtsboot. Wie wir später erfahren können diese Boote die Schleuse längere Zeit vorher blockieren, sodass sie ungestört durchfahren können. Merke: Lieber mehr als zu wenig Zeit einplanen und nicht aus der Ruhe bringen lassen.

Floßfahrt auf der Mecklenburgischen Seenplatte: Tiefenentspannung!
Ab jetzt stellt sich die Tiefenentspannung ein. Träge räkeln wir uns auf unseren Stühlen oder dem Dach in der inzwischen warm scheinenden Spätsommersonne, die Schuhe werden von den Füßen gekickt und wir genießen die Ausblicke auf die langsam vorbeidümpelnde Landschaft und den See, welcher ab und zu von einem anderen Floß, Boot oder Kanu durchpflügt wird. Ein testender Zehencheck ergibt, dass die Wassertemperatur Mitte September für ein Bad leider nicht mehr gemütlich ist.
Diejenigen von uns, die ein wenig Bewegung lüsten setzen sich abwechselnd ins Faltboot und paddeln eine Runde (zum Baden ist es leider schon zu frisch). Eine willkommene Abwechslung und ein schöner Perspektivenwechsel. “Schon echt cool!” denke ich als ich unseren “Jim” mal mit Abstand betrachte. Am liebsten will ich ihn nicht mehr hergeben. Weiter geht die Fahrt durch einen wunderschönen, natürlichen Kanal zum Großen Labusee. Hier ist leider – viel zu schnell – der Umkehrpunkt für uns gekommen. Schließlich müssen wir um 18 Uhr zurück beim Floßvermieter sein.
Während die Spätnachmittagssonne alles in ein sanftes Licht taucht dümpeln wir langsam wieder zurück, vom Großen Labusee zum Woblitzsee, dann zur Schleuse, durch die wir in einem “Rutsch” fahren (ganz schön spannend, wir sind das erste Boot in der Schleuse und fühlen uns ein wenig wie beim Rafting als das Wasser durch die Schleusentür hereinschießt). Viel zu schnell nähert sich der Uhrzeiger der 6. Die Rückfahrt verbringe ich meist träumend auf dem Dach des Floßes. Träumend von noch mehr Abenteuer, Natur und Freiheit. Träumend von einem längeren Floßaufenthalt. Denn dass dies nicht meine letzte Floßfahrt war steht jetzt schon fest. Ich komme wieder! Und dieses mal für länger!
Tipps für eine Floßfahrt auf der Mecklenburgischen Seenplatte
- Die Mecklenburgische Seenplatte mit dem Floß zu entdecken ist meiner Meinung nach die beste Wahl. Das gemächliche Tempo und die gemütliche Atmosphäre des Floßes sorgen für Tiefenentspannung.
- Die Nebensaison eignet sich hervorragend für eine Floßfahrt. Wie wir vom Vermieter erfahren steht man in der Hochsaison teilweise stundenlang an den Schleusen
- Idealerweise bucht man ein Floß über Nacht. Leider waren wir 3 Monate vorher schon zu spät für ein Floß mit 6 Schlafplätzen. Also: Früh buchen lohnt sich!
- Eine Übersicht aller Floßanbieter auf der Mecklenburgischen Seenplatte findest Du auf dieser Webseite.
- Gebucht haben wir das TS660 Jim bei Tom Sawyer Tours (es gibt aber auch jede Menge andere Veranstalter). Dieses hat uns für einen ganzen Tag von 9 – 18 Uhr für 8 Personen gerade mal 135,- € gekostet. Exklusive Sprit (hat uns ca. 20,- € gekostet) und einer Kaution von 250,- € (die man natürlich wieder zurück bekommt).
- Über Nacht kostet das TS660 130,- € (von 13 bis 10 Uhr am Folgetag) und 195,- € (von 9 bis 10 Uhr am Folgetag). Fair, wie ich finde. Das TS660 bietet 4 Schlafplätze an Bord.
- Für das Fahren des TS660 ist kein besonderer Bootsführerschein nötig.
- Übernachtet haben wir im schönen Ferienpark Mirow, direkt am See. Besonders empfehlenswert sind die Häuschen mit Sauna.
Und wann gehst Du auf große Fahrt mit dem Floß?

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