Den Rucksack schultern, einfach losziehen, sich in der Natur verlieren und wandern. Für mich die ideale Art zu entspannen. Stell Dir vor, am Ende Deiner Wanderung wartet dann noch eine gemütliche Hütte mitten in der Natur auf Dich. Einfach aber ausgestattet mit allem, was man braucht. Du krempelst die Ärmel hoch, hackst Holz und kochst Dein wohlverdientes Abendessen auf dem Holzofen. Anschließend beobachtest Du den Sonnenuntergang von der Terrasse aus, begleitet von Vogelgezwitscher und Grillenzirpen. Klingt nach einem ziemlich perfekten Tag, oder? Das Beste daran: Dafür musste ich noch nicht einmal weit anreisen. Komm mit, zum Hütten-Trekking in Holland!
Inhalt
Cabiner: Hütten-Trekking in Holland
“Übernachte an den schönsten Orten in der niederländischen Wildnis”. Holland und Wildnis? Dieser Werbespruch machte mich stutzig und neugierig zugleich. Denn viel widersprüchlicher geht es nicht. Schließlich sind die Niederlande mit 288 Einwohnern pro km2 das am dichtesten bevölkerte Land der EU und eines der am dichtesten bevölkerten Länder der Erde.
Neugierig scrolle ich weiter und erfahre, dass sich hinter dem Werbespruch ein tolles Konzept verbirgt: Hüttenübernachtungen „off the grid“, also im Nichts, mitten in der Natur. Das „Nichts“ in diesem Fall ist der waldreiche Nationalpark Drentsche Aa in der niederländischen Provinz Drenthe. Drenthe ist die am dünnsten besiedelte Region der Niederlande und bietet eine abwechslungsreiche Landschaft aus Wäldern, Heideflächen, Seen und Mooren.
Insgesamt acht Cabins stehen hier inzwischen, jeweils mehrere Kilometer voneinander entfernt. Somit lassen sich die Cabins auch ideal zu einer mehrtägigen Trekking-Tour miteinander verbinden. Wer lediglich auf der Suche nach einem Mikroabenteuer ist, kann sich auch nur für eine Nacht in einer der Hütten einbuchen. Da die Hütten nur fußläufig erreichbar sind (zwischen 2 und 20 km bis zu einem der beiden Parkplätze), beginnt das Naturerlebnis bereits beim Anmarsch.
Die Idee zu Cabiner entstand in Norwegen. Die Amsterdamer Freunde Sander Ejlenberg, Oep Schilling und Vincent Beekman stießen auf ihrer mehrtägigen Trekkingtour unerwartet auf eine Hütte mitten im Nichts, in der sie sich am Kamin aufwärmen und in deren Schutz sie die Nacht verbringen konnten. Das ultimative Naturerlebnis und ein echter Luxus nach tagelangem Draußensein. Die Erinnerung an dieses Gefühl ließ sie nicht mehr los und sie überlegten, wie sie dieses in die Niederlande holen könnten. Sie tüftelten, führten Gespräche und starteten eine erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne. Der Beginn von Cabiner.
Wikkelhouses – die nachhaltigen Hütten der Zukunft
Die Cabins von Cabiner sind sogenannte Wikkelhouses, extrem leichte und bis aufs kleinste durchdachte Häuschen aus recyceltem Karton. Ja, Du hörst richtig: Karton. Und zwar 24 Lagen davon, fest umeinander gewickelt (dadurch der Name „Wikkel“), verleimt und mit Gore-Tex und Holz wetterbeständig gemacht. Die besonderen Qualitäten dieses Materials sind die gute Isolierung, die Leichtigkeit und seine Nachhaltigkeit – ein Wikkelhouse ist zu 100% recyclebar. Und einfach zu transportieren. Eine wichtige Eigenschaft, denn jedes der Cabins von Cabiner steht maximal 5 Jahre am selben Ort und zieht anschließend an eine andere, neue Stelle um. So kann sich die Natur wieder regenerieren.
Das Thema Nachhaltigkeit spielt nicht nur im Bau der Cabins sondern auch in deren Funktionsweise eine wichtige Rolle. Alle Cabins sind komplett autark. Elektrizität (für Lampen, Kühlschublade, Filterung, Ventilierung und 2 USB-Anschlüsse) wird über Solarzellen auf dem Dach gewonnen, (gefiltertes Trink-)Wasser muss der Gast mit einer Handpumpe selbst aus der Erde pumpen. Abwaschwasser wird gefiltert bevor es wieder in die Erde fließt und die Toilette ist eine Öko-Trockentoilette. Das Herzstück der Hütte ist der multifunktionelle Kaminofen. Denn dieser sorgt nicht nur für eine kuschelige Raumtemperatur sondern erwärmt auch das Duschwasser und dient als Kochstelle. Um den Komfort der Cabins nutzen zu können, ist anpacken gefragt.
Erfahrungsbericht: Hütten-Trekking in Holland
Etwas angeschlagen durch eine Erkältung verabschieden wir uns Freitag Mittags von Sohnemann und Oma und freuen uns auf ein babyfreies Wochenende. Ein paar Klamotten, Bettlaken, Kissenüberzug, Handtuch, Schlafsack, Zahnbürste, Buch und Proviant haben wir dabei, viel mehr brauchen wir nicht an diesem Wochenende. Wie befreiend, alles was man zum Überleben braucht, mit sich herum zu tragen.
Wir fahren in den Nordosten der Niederlande, in den Nationalpark Drentsche Aa. Mit 10.000 Hektar ist dieser der drittgrößte Nationalpark der Niederlande. Dieser wurde aufgrund der großen Nachfrage nach Holz für u.a. den Tagebau Anfang des 20. Jahrhunderts als Nutzwald angelegt. Bis heute wird hier Holz geerntet, daneben ist inzwischen jedoch auch die Erhaltung der Natur- und Artenvielfalt ein wichtiges Standbein geworden. Neben der Holzgewinnung wird im Gebiet des Drentsche Aa teilweise noch aktiv Sand abgegraben (mit anschließender Renaturierung), wodurch einige Baggerseen entstanden sind, die als Naherholungsgebiet und Badeseen dienen.
Bereits vor unserer Reise hatten wir per E-Mail die Information erhalten, in welchen Häuschen wir übernachten würden und konnten uns die Wanderrouten vom Parkplatz zum Cabin und von Cabin zu Cabin heraussuchen. Als Startpunkt stehen zwei Parkplätze und eine Bushaltestelle (wer mit den Öffentlichen Verkehrsmitteln kommt) zur Wahl. Je nachdem, wie lange man wandern möchte und wo die Cabins liegen, trifft man seine Wahl. Da wir mit dem Gedanken gebucht hatten, dass wir Sohnemann mitnehmen würden (was wir letztendlich aufgrund des vielen nötigen Equipments wie Babybett etc. doch nicht getan haben), hatten wir uns vorab für Wanderungen mit kürzeren Abständen entschieden.
Nachdem wir unsere – in stylische Stoffbeutel verpackten – Essensbeutel am Startpunkt abgeholt haben und in unsere nun doch einigermaßen vollen – Rucksäcke verstaut haben, geht es endlich los. Aufgrund der späten Stunde – die Verabschiedung von unserem Kleinen und die Anfahrt haben doch länger gedauert als erwartet – entscheiden wir uns für den Startpunkt, mit der kürzeren Wanderung zum Cabin. Nach wenigen hundert Metern tauschen wir bereits den breiteren Forstweg gegen kleine, verschlungene Wege und freuen uns, mit jedem Schritt ins dichte Grün den Alltag weiter hinter uns zu lassen. Die Sonne blinzelt immer wieder einmal durch die Blätter und die Vögel zwitschern vergnügt vor sich hin. Die Idee, bereits auf dem Hinweg abzuschalten, geht auf jeden Fall auf.
Als wir dann nach einer abwechslungsreichen Wanderung über schmale und breitere Wege, durch Wald und über blühende Lichtungen schließlich unser Domizil für die Nacht durch das Dickicht erblicken, ist unser Glück perfekt. Schnell suchen wir den Schlüsselkasten, geben den Zahlencode ein und verschaffen uns Zugang zum Häuschen. Erster Eindruck: Alles ist super durchdacht, spartanisch aber doch gemütlich. Ich liebe die kleinen Aufmerksamkeiten wie die gefüllten Tee- und Gewürzdosen, der Seifen- und Shampoo-Spender, das Brettspiel und die Hüttenschuhe. Obwohl die Cabins nicht nach jedem Besuch komplett grundgereinigt werden – es wird erwartet, dass man die Cabins sauber und besenrein hinterlässt – ist alles sauber und ordentlich.
Mein Freund schnappt sich erstmal das Ringbuch, in dem genau beschrieben ist, wie alles funktioniert und macht es sich in der Sonne auf der Terrasse bequem. Nach einem ersten Ankommen und Umsehen machen wir uns dann an’s Wasser pumpen, Holz hacken, Feuer machen und Essen (nach den im Cabin hinterlegten Rezepten) zubereiten. Zusätzlich zum holzbefeuerten Ofen gibt es noch einen Spirituskocher, auf dem man Kochen kann. Beide sind nicht wirklich schnell, “slow cooking” ist hier also passend zum Konzept des Runterfahrens und Abschaltens Programm. Für die Geschwindigkeit des Kochens finde ich die Wahl des Gerichts – eine Schmorpfanne mit Kichererbsen, Paksoi und Tofu – nicht ganz so passend. Während die letzten Sonnenstrahlen des Tages alles in ein goldenes Licht tauchen, löffeln wir unser Essen – schweigend, mit Blick ins Grün, glücklich. Den Abend lassen wir gemütlich bei Gesprächen, Tee und Buch lesen ausklingen. Herrlich, mal wieder so entspannen zu können!
Nach einer ruhigen Nacht, lediglich etwas geplagt von der Erkältung, schlafen wir am nächsten Tag herrlich aus, bevor wir uns unser Frühstück aus dem Essenspaket gönnen – Müsli mit Joghurt und Früchten. Anschließend schultern wir unser Gepäck und laufen erst einmal kurz in die verkehrte Richtung – geplant. Denn auf der Karte sehen wir einen großen See, den wir kurz einmal näher betrachten wollen. Als wir uns dem See mit dem Namen ‘t Gasselterveld nähern, staunen wir nicht schlecht. Der ehemalige Baggersee macht mit seiner türkisen Färbung und dem dahinterliegenden Nadelwald glatt Kanada Konkurrenz. Nur das karibisch-weiße Sandufer will nicht so richtig dazu passen. Ein mehr als gelungener Abstecher!
Anschließend ziehen wir weiter, durch Waldabschnitte und entlang von Feldern bis wir kurz vor dem Ziel eine Heidefläche erreichen, deren Erika sich bereits auf die Blütezeit vorbereitet. Schmale Sandpfade schlängeln sich durch die Heidelandschaft, dann ein verwunschener kleiner Wald und 2 Forstwege später sind wir am Ziel. Die Lage unseres heutigen Cabins könnte unterschiedlicher nicht sein: Heute nächtigen wir am Rande einer riesigen Lichtung, mit Teich, Gräsern und blühenden Blumen. Wo gestern vor allem Vögel im Hintergrund zu hören waren, hören wir heute das Summen der Bienen, das Zirpen der Heuschrecken und das Quaken der Frösche. Plötzlich verdunkelt sich schlagartig der Himmel und wir machen, dass wir ins Innere unseres Cabins kommen. Schon fallen die ersten Regentropfen.
“Das ist wirklich Luxus!” denke ich, als wir im warmen, gemütlichen Cabin sitzen während der Regen draußen auf das Dach prasselt. Ein warmes, trockenes Plätzchen zu haben und dann auch noch in so einer einzigartigen Umgebung. Natur, Einsamkeit, Ruhe und Zeit, das Ganze zu genießen. Ganz ohne Störfaktoren von außen. Inzwischen verstehe ich komplett, wie sich die 3 Gründer von Cabiner in Norwegen gefühlt haben müssen – auch wenn ihre Wanderung sicherlich um einiges mühseliger und die Temperaturen um einiges kälter waren.
Fazit zum Hütten-Trekking in Holland
Sander Ejlenberg, Oep Schilling und Vincent Beekman haben mit ihrem Konzept vom Hütten-Trekking in Holland etwas Einzigartiges, Modernes und gleichzeitig Nachhaltiges geschaffen. Die Wikkelhouses erfüllen alle Grundbedürfnisse und sind naturnah und sogar komfortabel. Das Gefühl, inmitten der Natur, mit keiner Menschenseele weit und breit zu nächtigen, ist unbezahlbar. Die Locations der Cabins (zumindest der beiden, die ich besucht habe) sind unglaublich gut gewählt. Besonders schön fand ich, dass wir zwei so unterschiedliche Standorte hatten. Die Tatsache, dass die Cabins nur fußläufig erreichbar sind, trägt zum Wildnisgefühl bei und das Wandern tut einfach nur gut. Das Hütten-Trekking in Holland lässt auf jeden Fall echtes Hüttenfeeling aufkommen. Aber dann mit einem modernen Touch.
Einziger, kleiner Punkt, den ich bemängele: Die Mahlzeiten aus den Essenspaketen waren meiner Meinung nach nicht so gut gewählt – sie waren ziemlich voluminös und dadurch schwer zu transportieren, verursachten recht viel Abfall, den man natürlich auch wieder mit zurück nehmen musste und hatten eine sehr lange Zubereitungszeit nötig. Bei einem nächsten Mal würde ich wieder auf meine bereits erprobten Trekking-Rezepte zurückgreifen.
Wäre Trekking in Holland auch für Dich etwas? Oder hast Du es bereits getan? Erzähl es mir!
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5 Antworten zu “Hütten-Trekking in Holland: Cabiner in Drenthe”
Das ist ja mal eine coole Idee! Die Hütten sehen wirklich sehr gemütlich aus. Hach, da könnte ich doch direkt loswandern …
Auf jeden Fall! :) Kann ich wirklich nur empfehlen, ist mal erfrischend anders.
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Oh wie schade, dass ich jetzt erst auf deinen Blog gestoßen bin! :( Das klingt echt nach einer tollen Idee und hätte sich im Sommer auch gut mit Corona vertragen. Die Wikkelhouses sehen echt klasse aus! Habe ich schon was auf meiner Liste für nächstes Jahr :P
Liebe Grüße,
Tristan von Traxplorio
Hallo Tristan,
besser spät als gar nicht ;) Freut mich, dass Dir mein Beitrag gefällt. Und ja, das Hütten-Trekking in Holland ist definitiv „coronaproof“.
Viel Spaß dabei!
Liebe Grüße,
Kerstin