Wenn die Vision, die Welt du einem besseren Ort zu machen auf die Liebe zu Street Art trifft, dann kommt etwas Großes dabei heraus. Und das ist in diesem Fall wortwörtlich zu nehmen. Die Rede ist natürlich von den aus Abfallholz gefertigten, mehrere Meter hohen Trollen des dänischen Künstlers Thomas Dambo. Seit 2019 sind sieben der Trolle in Belgien angesiedelt. Etwas, das ich mir natürlich nicht entgehen lassen konnte.
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Thomas Dambo – der, der mit Abfall zaubern kann
Thomas Dambo. Ein Name, der für Kunst steht, die von sich reden macht. Und das nicht erst seitdem er für seine mehrere Meter großen, gutmütigen Trolle internationale Bekanntheit erlangte.
Seine Anfänge machte der dänische Künstler und gelernte Designer nämlich nicht mit Fabelwesen sondern mit Vogelhäusern. Mit seinem Projekt “Happy City Birds” versucht er seit 2006, die Natur auf spielerische Weise in den städtischen Raum zu holen und gleichzeitig Street Art für “Jedermann” zugänglich zu machen, ob mit Camouflage-Vogelhäusern oder Vogelhaus-Skulpturen. Dabei lässt er gerne seinen Fantasie freien Lauf und seinen Hintergrund in der Graffitiszene mit einfließen.
Das Material seiner Wahl: Recyceltes Holz. Thomas Dambo selbst nennt sich gerne Abfallkünstler oder auch Recyclingkunstaktivist – und das mit Stolz. Er will mit seinen Kunstwerken vor Augen führen, wie wertvoll Weggeworfenes sein kann und was für tolle Dinge daraus entstehen können. Zudem gefällt ihm die Vergänglichkeit dieses Baustoffes. Denn nach sechs oder sieben Jahren verwittern seine Skulpturen allmählich und werden wieder Teil der Natur. Und damit schließt sich der Kreislauf.
Obwohl Trolle ihn bereits seit seiner Kindheit – wie in Dänemark üblich in Form von Fabelgeschichten – begleiteten, entstand die erste Trollskulptur “Mr Jack Lumber” erst im Jahr 2012, im Rahmen eines Kunst-Workshops mit Kindern auf der norddänischen Insel Mors. Der Anfang einer internationalen Erfolgsgeschichte. Denn die liebevoll und mit einer Prise Ironie entworfenen Riesen erfreuen sich so großer Beliebtheit, dass sie sich inzwischen weit über die dänischen Landesgrenzen hinaus niedergelassen haben. Von Florida und Puerto Rico über China bis nach Südkorea ist alles dabei. Die Ideen und Skizzen für neue Arbeiten entstehen aber bis heute mit seinem Team im heimischen Dänemark, im ehemaligen Bootshaus.
Die größte Motivation Thomas Dambos ist es, Mensch und Natur wieder miteinander in Verbindung zu bringen und zu stimulieren, dass wir Menschen die Schönheit und Verletzlichkeit dieser neu entdecken. Nur so schaffen wir es seiner Meinung nach, uns zusammenzureißen und die Natur zu schützen, bevor sie verschwunden ist. Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass die Trolle von Thomas Dambo sich oftmals in der Natur verstecken, ohne genaue Ausschilderung. Denn nur so wird der Besucher dazu angeregt, auf Entdeckungstour zu gehen und so meist viel mehr als nur Trolle zu finden.
De Schorre in Boom – Die Heimat der Trolle in Belgien
De Schorre ist eine grüne Freizeitsoase und Eventlocation zwischen den belgischen Städten Antwerpen, Mechelen und Brüssel. Doch das war nicht immer so: Lange Zeit diente das Gelände als Tongrube, denn große Teile von De Schorre befanden sich im Eigentum zweier Ziegeleien. Heute erinnern nur noch einige Überbleibsel, wie halb verfallene Backsteinbauten, ein rostiger Krahn und das hügelige, durch Ausgrabungen geformte Gelände an diese Zeit. In einem Drittel der ehemaligen Tongrube herrscht heute die Natur, deren pflanzliche und tierische Bewohner in den Seen und an Land prächtig gedeihen. In diesem Bereich befinden sich zahlreiche Wanderwege, ein wunderbar gestalteter Barfußpfad sowie fünf der Trolle.
Darüber hinaus dient das Gebiet heute auch als Sport-, Kongress- und Eventgelände. Das wohl bekannteste, dort stattfindende Event ist Tomorrowland, das größte Dance-Festival der Welt. Und genau diesem verdankt De Schorre auch die Anwesenheit der sieben Trolle. Denn nachdem die Festivalverantwortlichen zum 10-jährigen Bestehen der Gemeinde bereits die Brücke “One World” vom belgischen Künstler Arne Quinze geschenkt hatten, wurde zum 15-jährigen Bestehen Thomas Dambo angefragt. Dieser reagierte vom Plan und Gelände begeistert und ließ 2019 in 25 Wochen die sieben sagenhaften Riesen, samt magischem Turm und märchenhafter Geschichte aus 20 Tonnen Holzabfall entstehen. Das Schöne ist, dass sich nur zwei der Figuren unmittelbar auf dem Festivalgelände befinden und so vor allem auch Tagesbesucher und Familien in den Genuss der Trolle kommen.
Wie immer, so sind auch die belgischen Trolle liebevoll aus Recyclingmaterialien wie Pallets, Abfallholz, Ästen und umgefallenen Bäumen gefertigt. Lediglich das Grundgerüst ist – der Haltbarkeit wegen – aus neuem Holz gefertigt. In De Schorre kamen zwei weitere Hobbies Thomas Dambos zum Einsatz: Magische Geschichten erfinden und Rappen. Denn er ließ es sich nicht nehmen, eine märchenhafte Geschichte rund um den Trollwald, seine riesigen Bewohner und deren magischen Turm ranken zu lassen.
Die Legende der 7 Trolle in Belgien
“The 7 Trolls and The Magical Tower” taufte Thomas Dambo sein Troll-Projekt in Belgien. Sechs Monate nahm der Bau der 4 bis 18 m hohen Trolle und des dazugehörigen 17 m hohen “magischen” Turms in Anspruch, bei dem neben dem Team von Thomas Dambo auch Freiwillige aus der Umgebung und Schüler der technischen Schule in Boom mitgewirkt haben.
Die Geschichte von “The 7 Trolls and The Magical Tower” handelt von sieben freundlichen Trollen mit Namen Una, Jeuris, Kamiel, Mikil, Hannes, Arvid und Nora und deren Leben im magischen Wald. Wer sich im Trollwald auf die Suche nach den liebenswerten Riesen macht, wird feststellen, dass die Trolle entweder schwer beschäftigt sind oder sich kurz von ihrer Arbeit ausruhen. Einer der Trolle schnitzt Holzfiguren, einer holt Wasser, wieder ein anderer sammelt Steine und ein weiterer Troll fädelt Tonperlen auf eine Kette.
Der Legende nach arbeiten sie gemeinsam an einem magischen Aussichtsturm für den “kleinen Mensch”, welcher ohne Rücksicht auf Verluste und die Zukunft handelt und zerstört, was nicht wiederhergestellt werden kann. Der Blick vom Turm soll ihm die Augen für die Schönheit der Natur und ihre Verletzlichkeit öffnen sowie die Erkenntnis bringen, dass diese geschützt werden muss. Die ganze Geschichte ist auf Englisch und Niederländisch im magischen Buch, am Fuße des magischen Turm niedergeschrieben. Hier kannst Du sie nachlesen.
Auf Trolljagd im Trollwald in De Schorre
An einem strahlend schönen, frühlingshaftem Freitag im März machte ich mich mit zwei guten Freunden auf die zweistündige Fahrt (von den Niederlanden aus) nach De Schorre. Unsere Stimmung machte dem Wetter Konkurrenz und ließ sich auch durch den obligatorischen Stau rund um Antwerpen nicht trüben. Endlich angekommen, konnten wir es kaum erwarten, auf Entdeckungstour zu gehen. Dank dem wunderschönen Wetter waren wir nicht die Einzigen mit der Idee, auf Trolljagd zu gehen. Aber das Menschenaufkommen war vergleichsweise noch sehr überschaubar.
Da wir leider nur einen begrenzten Zeitrahmen für unsere “Schatzsuche der anderen Art” hatten, orientierten wir uns grob an der Trollkarte. Die ersten beiden Trolle hätten wir aber auch wohl ohne diese gefunden, schließlich liegen Una und Jeuris, wie die beiden Trollfreunde heißen, mitten auf der Mainstage des Festivalgeländes im Gras und philosophieren, in den Himmel schauend über das Leben und die Vergangenheit.
Unweit entfernt liegt der Magische Turm, neben dem es sich der verkleidungsverrückte Troll Kamiel gemütlich gemacht hat. Kamiel liebt es, Masken zu tragen, am liebsten jeden Tag eine andere. Denn diese ermöglichen es ihm, mit Tieren zu sprechen. Natürlich hat er auch jetzt eine Maske auf, eine weitere hängt an der Seite des Magischen Turms. Wer den Turm besteigt, den erwartet bei guter Sicht ein toller Ausblick bis nach Brüssel.
Von hier aus kletterten wir querfeldein den Abhang hinter dem magischen Turm hinunter. Unterwegs begegneten wir immer wieder Kindern, die aufgeregt Französisch oder Flämisch plappernd – auf der Suche nach dem nächsten Troll – vor ihren Eltern her rannten. Auch einige Rentner bahnten sich in gemächlichem Tempo ihren Weg durch den Wald. Von der Magie der Trolle ließen sich Groß und Klein aber gleichermaßen in ihren Bann ziehen. Da wir im Trollwald auf den tollen, insgesamt 850 m langen Barfußpfad “Barrevoetpad” stießen und diesem ein Stück weit über schmale Steege und Reifen balancierend folgten, gelangten wir nicht auf direktem Weg zum nächsten Troll, was das Ganze aber nur umso abwechslungsreicher machte.
Der nächste Troll, den wir finden ist Hannes, ein bärtiges Exemplar, der es sich auf einer verfallenen Mauer bequem gemacht hat und mit großer Präzision Tonkugeln auf eine Kette fädelt. Neben Kamiel ist Hannes mein persönlicher Liebling. ´
Weiter geht es, am offiziellen Eingang zum Barfußpfad vorbei, über einen schmalen Weg zur kleinen Nora, die mit lediglich 4 Metern und einem Alter von lediglich 87.762 Jahren die jüngste und kleinste im Bund der Trolle ist und gerade dabei ist, magische Steine zu sammeln, die Glück bringen sollen.
Auf wunderschön in die Landschaft eingebetteten Holzbohlenwegen erreichen wir schließlich Arvid, welcher sich auf dem Weg niedergelassen hat und in aller Ruhe einen Speer schnitzt. Arvid liebt es, Dinge aus altem und totem Holz herzustellen.
Auf verschlungenen Wegen erreichen wir schließlich den letzten Troll, Mikil, der bärenstark und gerade dabei ist, mithilfe eines hölzernen Eimers Wasser aus einem See zu holen. Am See ist auch ein Relikt aus den Zeiten der Tongrube erhalten geblieben – ein rostiger Krahn, der dem Ganzen einen Lost-Place Charme verleiht.
Etwas traurig bin ich schon bei der Erkenntnis, dass mit dem Fund von Mikil unser Trollabenteuer erst einmal abgeschlossen ist. Aber die Trolle in Belgien haben definitiv Lust darauf gemacht, ihre Artgenossen in anderen Ländern aufzusuchen. Ich bin mir sicher, dass dies nicht die letzten Trolle gewesen sind, die ich besucht habe. Alle, die gerne kuriose Sehenswürdigkeiten mögen und für einen Tag mal wieder das Kind aus sich herauskitzeln möchten, kann ich den Besuch der Trolle in Belgien nur wärmstens empfehlen. Und Familien sowieso.
Na, hast Du Lust bekommen, die Trolle in Belgien einmal selbst zu entdecken? Oder hast Du bereits einige Artgenossen in anderen Ländern gesehen? Erzähl es mir in den Kommentaren!