Das beruhigende Schnattern der Wasservögel, das leise Plätschern des Wassers und das heimelige Prasseln des Feuers. Sonst nichts. Nur wir, unser (Zelt-)Floß, das Lagerfeuer und der Sternenhimmel. Wildnis-Feeling in den Niederlanden. Und für die dazugehörige Prise Abenteuer ist auch gesorgt: Beim Zeltaufbau und (legalen) Wildcampen auf dem Wasser, beim Kochen im Freien und bei der Fahrt mit dem Floß, bei der man teilweise nur flach liegend unter den Brücken hindurch kommt. Floßurlaub – und das alles nur 20 Autominuten vom brausenden Amsterdam entfernt. Wer hätte das gedacht?
Ich jedenfalls nicht. Und noch viel weniger, dass wir das Mitte Februar erleben würden. Aber wie das Jahr 2021 so wollte, folgte eine Woche nach der großen Schnee- und Kältewelle die große Wärme und ein verfrühter Frühlingseinbruch mit milden Temperaturen bis zu 17 Grad. Das musste ausgenutzt werden! Zwei Tage und ein Telefonat später befanden meine Reisebloggerfreundin Janna Kampfhof von Niederlande Aktiv und ich uns im Auto auf dem Weg ins 40 Autominuten (von unserem Wohnort entfernte) Uitdam.
Inhalt
Waterland
Uitdam befindet sich in Waterland, wie der Name bereits verrät, eine wasserreiche Gegend nordöstlich von Amsterdam, welches eigentlich eine Aneinanderreihung von Poldern ist, deren Wasserstand durch Schleusen, Pumpen und den sogenannten Poldermühlen (Mühlen, die Wasser abpumpen) reguliert wird. Letztere wurden hier auch erfunden, schließlich bestimmte das Leben mit und der Kampf gegen das Wasser seit langem das Leben hier.
Dies war jedoch nicht immer so: Als sich die ersten Siedler hier im 10. bis 11. Jahrhundert niederließen, fanden Sie ein sumpfiges Moor vor, das einige Meter oberhalb des Meeresspiegels lag. Erst mit dem Abbau und der Aufbereitung der Moore für die Landwirtschaft sank das Land durch Oxidierung des Moores. Gleichzeitig stieg damals der Meeresspiegel, was zu Trinkwasserversorgungsnöten und schweren Sturmfluten führte. Die Folge: Deiche wurden entlang von Seen und Kanälen gebaut, Dämme und Schleusen angelegt. Als die Technik dafür ausgereift war, wurden zudem Schleusen zur Beförderung von Booten angelegt und Mühlen gebaut, die das Wasser wegpumpen konnten. So erlangte der Mensch die Überhand im ewigen Kampf zwischen Wasser und Land.
Heute ist Waterland ein Naherholungsgebiet mit wunderbarer Natur und idyllischen Bilderbuch-Dörfern, nur einen Katzensprung von Amsterdam entfernt. Auch die bei ausländischen Touristen sehr beliebten Mühlen von Zaanse Schans befinden sich in der Region.
Experience Waterland
Im Herzen einer dieser malerischen Dörfer, in Uitdam, befindet sich Experience Waterland, ein kleiner Outdoor Reise- und Erlebnisanbieter. Ursprünglich, so erzählt uns Besitzer Apostolis Noutsis, verdiente er seinen Brötchen hauptsächlich mit Touren für internationale Gäste zu den Windmühlen von Zaanse Schans und den Tulpenfeldern. Die Outdoorerlebnisse waren seit jeder seine Leidenschaft, jedoch nicht sein Hauptverdienst. Mit dem Wegbrechen der internationalen Gäste dank Corona war es dann Zeit für ein Umdenken. Neben diversen Firmen-Events wie Outdoor-Cooking, ein Wildpflanzen (Pflücken und Zubereitung) Workshop, einer kulinarischen Bootsfahrt und einem SUP-Tag sind die Standbeine von Experience Waterland inzwischen auch Fisch-Räucher-Workshops, der Verleih von Kajaks und seit letztem Jahr ganz neu: Flößen.
Entstanden als Herzensprojekt – Apostolis zieht so oft wie möglich selbst, am liebsten selbst mit seiner Familie und dem Floß los – merkte er schnell, dass die Kombination aus tagsüber Waterland mit dem Floß erkunden und abends legal (!) Wildcampen in der Natur sehr gut angenommen wird. So hat er dieses Jahr die Flotte auf 3 Flöße ausgebaut und arbeitet derzeit an einem Franchising Konzept, um die Flöße an noch mehr Orten in den Niederlanden verfügbar zu machen. Genau hierfür sind wir angereist!
Mikroabenteuer Floßurlaub
Als ich das Floß das erste Mal mit eigenen Augen erblicke, bin ich erstaunt, wie flach es ist. Schließlich bin ich bereits mit dem Floß über die Mecklenburgische Seenplatte geschippert und habe auf einem Floß in den Niederlanden übernachtet. Doch die Flöße von Experience Waterland sind auf den ersten Blick sehr schnörkellos, ohne Geländer oder ähnliche Aufbauten. Der Grund dafür erschließt sich uns bei der Einführung. Denn Apostolis hat vor dem Bau des ersten Floßes alle Brücken in Waterland vermessen. Und die sind extrem niedrig. So niedrig, dass man sich zum Teil flach auf das Floß legen muss, um darunter durch zu kommen. Als er uns den Aufbau des Zeltes, welches flach auf dem Floß liegt erklärt, bin ich verblüfft, wie einfach und zugleich ausgeklügelt das System ist. Mit zwei Handgriffen steht es. Ebenso durchdacht ist der Rest seines Konzeptes. Auf Google Maps hat er eine Karte entworfen, die nicht nur die eigene Position sondern auch mögliche Routen und lohnenswerte Stopps verrät. Verfahren unmöglich. Zudem erhalten wir einen Feuerkorb, Holz, einen Gaskocher und Stühle. Das Floß ist auch für Laien einfach und ohne Bootsführerschein zu lenken und das Tempo ist automatisch auf die zulässige “Schnelligkeit” im Naturgebiet gedrosselt. Also: Gepäck an Bord und los geht’s!
Bereits nach wenigen Minuten unterwegs beginnen wir uns zu entspannen und die Fahrt in vollen Zügen zu genießen. Das Floß tuckert in einem angenehmen Tempo vor sich hin, wir blinzeln in die abnormal warme Februarsonne und lassen uns den leichten Fahrtwind um die Nase wehen. Die erste Brücke zeigt uns gleich einmal, warum wir so flach sind aber auch diese Hürde meistern wir mit – dank Jannas Manövrierkünsten – mit Bravour.
Broek in Waterland
Unser erstes Ziel: Das malerische Broek in Waterland, ein idyllisches 2.700 Seelen-Dorf.
Es scheint, als brauche es nicht mehr als ein paar sonnige, warme Tage um die Natur – und uns – wieder zum Leben zu erwecken. Die ersten Frühlingsboten schießen aus dem Boden, die Vögel ziehen fröhlich zwitschernd über den Himmel und die Menschen platzen aus dem Schutz ihrer Häuser, auf der Suche nach einem sonnigen Plätzchen. In Broek in Waterland ist dieses sonnige Plätzchen an der grünen Hafenpromenade zu finden, an der Ausflügler, Familien und Rentner – mit Abstand – in vollen Zügen Vitamin D tanken.
Wenig erinnert heute an seine beeindruckende Vergangenheit als Schiffersdorf, das im 17. Jahrhundert sehr erfolgreich Heringe fing, Getreide aus den Ostseeländern importierte und in direkter Konkurrenz zu Amsterdam stand. Dies verhalf den Einwohnern Broeks zu großem Reichtum, der sich alsbald im Dorfbild widerspiegelte. Schnell sprach sich die Idylle, Schönheit und Sauberkeit des Dorfes mit seinen pastellfarbenen, reich verzierten Holzhäusern und den gepflegten Gärten herum. Broek in Waterland wurde zum absoluten Anziehungspunkt für in- und ausländische Touristen und zum geliebten Sommersitz reicher Amsterdammer. Sogar Napoleon stattete dem Dorf 1811 einen Besuch ab. Der Anblick, der sich Napoleon damals bot, unterscheidet sich nicht viel von dem,was Besucher heutzutage bei einem Ausflug nach Broek in Waterland erwartet. Der Grund, warum sich das Dorf auch heute noch großer Beliebtheit bei (inter)nationalen Touristen erfreut. Seit 1969 ist das Dorfbild von Broek denkmalgeschützt.
Nachdem wir ausgiebig durch die schmalen Sträßchen, über Brücken und entlang malerischer Häuser geschlendert sind, kehren wir wieder zu unserem Floß zurück, welches wir – von so manch einem neugierig beäugt – im Hafen hinterlassen haben. Broek in Waterland ist ein wirklich lohnenswertes Ausflugsziel, besonders wenn man per Boot kommt. Wir begeben uns wieder an Bord und machen uns auf den Weg zu unserem Übernachtungsplatz, den uns Apostolis empfohlen hat.
Legales „Wildcamping“ in Waterland bei Amsterdam
Wildcamping ist in den Niederlanden – wie vielerorts – nicht gestattet. Wer es doch tut, muss mit Strafen bis zu 500,- € pro Person rechnen. Eine legale Art, doch frei und in der Natur zu stehen, ist ein Floß. Denn prinzipiell schläft man nicht an Land sondern auf dem Wasser. Und dafür gelten ganz andere Regeln. Solange man den Verkehr auf dem Wasser nicht behindert, darf man an vielen Stellen – außer auf Schildern explizit verboten – ankern. Apostolis empfahl uns vor unserer Abfahrt zudem, Privatgrund und Weiden zu meiden. Doch das spricht wohl für sich.
Mit der genialen Konstruktion von Experience Waterland kommt trotz Floß Campingfeeling auf. Denn in zwei Handgriffen steht ein waschechtes Zelt mit Boden, Türen und Insektengitter. Wie cool!
Der Ankerplatz, den Apostolis uns empfohlen hat, befindet sich auf einer winzigen, einsamen Insel und hat einen zusätzlichen Trumpf: Hier darf man legal Feuer machen (ausgenommen natürlich zu Dürre- und Trockenperioden). Ideal für diese doch etwas kühlere Februarnacht.
Nachdem wir die Isomatten in unser Zelt verfrachtet und die Schlafsäcke ausgerollt haben, machen wir uns daran, unseren Feuerkorb, die Stühle und den Campingkocher aufzustellen, denn die Sonne steht bereits tief – ein winziger Nachteil, wenn man so früh im Jahr campen geht. Während die Sonne langsam goldfarben am Horizont versinkt, entfachen wir ein gemütlich knisterndes Feuer und stellen das Nudelwasser auf den Campingkocher. Auf dem Menü steht ganz klassisch Spaghetti mit Tomatensoße, als Nachtisch gibt’s Mango. Bis wir unser Mahl schließlich zu uns nehmen, ist es schon lange dunkel geworden. Durch die behagliche Wärme des Feuers, die nächtliche Geräuschkulisse der Natur und den – heute besonders hell leuchtenden – Mond, herrscht eine beinahe magische Atmosphäre. Wäre das Feuer nicht irgendwann heruntergebrannt, wären wir wohl noch ewig sitzen geblieben.
So wird es jedoch schnell empfindlich kalt und wir suchen in aller Eile unsere Siebensachen zusammen, putzen unsere Zähne im Mondschein und schlüpfen anschließend dankbar in unsere mollig warmen Schlafsäcke auf unserem Zelt-Floß. Wir spielen eine Partie eines Kartenspiels, an dessen Regeln sich keine von uns beiden sich so richtig erinnern kann, quatschen noch eine Weile im Dunkeln bis es dann irgendwann still wird. Zumindest, als ich endlich – nach so langer schlafsackloser Zeit, die richtige, bequeme Schlafposition gefunden habe. Das Floß wiegt sich minimal im Takt der Wellen während die Vögel uns ein Nachtständchen singen.
Am nächsten Morgen sind wir beide früh wach aber können vor Aufregung auf den neuen Tag und die Hoffnung auf einen schönen Sonnenaufgang auch nicht mehr länger liegen bleiben. Nachdem wir den rosafarbenen Himmel ausreichend bewundert haben (die Sonne selbst versteckt sich erst einmal), setzen wir unser Teewasser auf und schmieren unsere mitgebrachten Frühstücksbrötchen auf dem Holzsteeg. Ein letztes Mal genießen wir die vollkommene Ruhe, den Einklang mit der Natur und das tolle Gefühl, eigentlich nicht viel zum glücklich sein zu brauchen bevor wir zusammenpacken zur Weiterfahrt. Denn wir möchten heute morgen noch Monnickendam besuchen.
Monnickendam
Monnickendam wurde – wie der Name (Monk = Mönch und Dam = Damm) bereits verrät, von Mönchen gegründet und erhielt 1355 Stadtrechte. Durch seinen direkten Zugang zur Zuiderzee wuchs es schnell zu einem zentralen Fischereihafen heran und erlebte seine Blütezeit im 16. und 17. Jahrhundert, als es zudem noch erfolgreichen Handel mit den Ostseeländern trieb. Mit dem Bau des Abschlussdeiches in den 1930er Jahren, welcher die Zuiderzee zum Süßwasser haltigen Ijsselmeer werden ließ, kam das Ende der Zuiderzeefischerei. An dessen Stelle trat eine große Marina, die circa 500 Segler, Yachten und sogenannte “Botter” (alte Flachbodenschiffe, die zur Fischerei genutzt wurden) fasst.
Monnickendam ist im Vergleich zu den anderen Orten im Waterland viel größer und aufgrund seiner schwierigen Erreichbarkeit – es gibt keinen Platz für Tourbusse und keinen Bahnhof – kaum touristisch. Trotzdem lohnt sich ein Besuch des alten Stadtkerns mit seinen denkmalgeschützten Gebäuden, dem Glockenturm “Speeltoren” und den dekorativen Giebelsteinen.
Zuiderwoude
Zuiderwoude ist das älteste Dorf von Waterland, dessen Anfänge auf das 11. Jahrhundert zurückgehen. Neben einer extrem niedrigen Brücke hat das 300-Seelendorf nicht nur hübsch anzusehende Häuser sondern auch viel Charakter zu bieten. Den Einwohnern von Zuiderwoude wird nachgesagt, dass sie die stursten Menschen der Niederlande sind. Schließlich haben sie ihr Dorf an einem Ort errichtet, der dafür alles andere als geeignet war: In einem niedrigen, feuchten Moor, das ständig in die umgebenden Seen sackte. Der Kampf gegen das Wasser und die ständige Erhöhung von Deichen bestimmt Generation für Generation das Leben im Ort und formt den Charakter. So zählten im niederländischen goldenen Zeitalter (17. Jahrhundert) die Seemänner aus Zuiderwoude zu den abenteuerlichsten und handelten nicht nur mit der Ostsee, sondern machten auch lange Reisen bis ins östliche Mittelmeer und nach Südamerika. Zu dieser Zeit erlebte auch Zuiderwoude seine Blüte und war doppelt so groß wie heute.
Für uns blieb leider keine Zeit, das Dorf zu Fuß zu erkunden aber was wir beim Durchfahren erblickten, machte große Lust auf mehr. Nachdem wir einige weiteren Kanäle und einen See durchquert hatten, war unser Mikroabenteuer Floßurlaub auch leider schon wieder vorbei. Mit sonnenverbrannten Nasen, windzersausten Haaren und unvergesslichen Erinnerungen im Gepäck treten wir schließlich den Heimweg an. Was für ein wundervolles Abenteuer!
Tipps für Dein Mikroabenteuer Floßurlaub in Holland
- Das Floß für Dein Mikroabenteuer in Waterland kannst Du bei Naturhäuschen mieten. Das Mindestalter zum Ausleihen des Floßes ist 21 Jahre und Du brauchst keinen Bootsführerschein. Auf dem Floß gibt es 4 Schlafplätze.
- Zur mitgelieferten Ausstattung des Floßes zählen: Das motorisierte Floß mit einem integrierten Zelt, einem Campingkocher mit 2 Kochfeldern, 10 Liter Trinkwasser, 4 Isomatten (sehr angenehm und absolut ausreichend), einem Toiletteneimer, einem Abfallsack und einer Routenkarte online.
- Selbst mitbringen solltest Du: Schlafsack, Taschenlampe, Kissen (wer braucht), Toilettentasche, Campinggeschirr und -töpfe (außerhalb von Corona auch ausleihbar), Sonnencreme, Moskitospray, evtl. Badesachen, Bücher, Spiele, Angel.
Könntest Du Dir ebenfalls einen Floßurlaub vorstellen? Erzähl es mir in den Kommentaren!
Vielen Dank an Experience Waterland für die Einladung zu dieser Recherchereise. Meine Meinung und meine Begeisterung bleiben meine eigene.
Die tollen Drohnefotos sind übrigens von meiner lieben Mitreisenden und Reisebloggerkollegin Janna Kamphof von niederlande-aktiv.de
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3 Antworten zu “Mikroabenteuer Floßurlaub in der Wildnis bei Amsterdam”
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[…] Weiterlesen: Meinen ausführlichen Erfahrungsbericht zu meinem Floßurlaub in Waterland liest Du in meinem Artikel: Mikroabenteuer Floßurlaub in der Wildnis bei Amsterdam. […]