Welche Reisebekanntschaft oder welcher Reisende hat dich am meisten geprägt?
Da muss ich nicht lange darüber nachdenken. Nur habe ich nicht eine, sondern gleich 2 Reisebekanntschaften, die mich sehr geprägt haben. Beide habe ich in Australien kennengelernt. Beide in einem kleinen, schnuckeligen Working Hostel in der Pampa in der Nähe von Adelaide. Pieter und Antje heißen die beiden. Der braungebrannte Holländer Pieter mit dem lustigen Akzent und die lebensfrohe und unkomplizierte Wahlitalienerin Antje aus dem „Osten“ (Deutschlands).
Inhalt
Australien und die große Freiheit
Wir schreiben das Jahr 2009. Nach erfolgreichem Abschluss meines Studiums arbeite ich 3 Monate lang Tag und Nacht um mir meinen großen Traum zu finanzieren: Ein Work & Travel Aufenthalt in Australien. Das Land der Kängurus, Traumstrände und Surfer hat es mir schon lange angetan. Als ich schließlich das Geld beisammen, das Flugticket in der Tasche und den Koffer gepackt habe geht es los, mein großes Reiseabenteuer. Und das ganz allein, da meine ursprünglich geplante Reisebegleitung leider nicht mit kann. Zuerst noch unsicher, ob ich das alles alleine gebacken bekomme fahre ich etwas nervös, traurig, Freunde und Familie zu Hause zu hinterlassen aber auch voller Vorfreude zum Flughafen in Frankfurt. Wie sich herausstellt sind meine Sorgen komplett unbegründet, bereits im Flughafen werde ich von einer Familie „unter die Fittiche genommen“ und im Flieger lerne ich gleich 2 Mädels kennen, mit denen ich die 3 Tage in Singapur und einige Tage in Australien verbringe. Der Anfang ist gemacht.
Nach und nach stellt sich das Gefühl von Freiheit ein. Die Freiheit, jeden Tag aufs Neue entscheiden zu können was, mit wem, wann zu tun. Oder eben einfach nichts zu tun. Wie im Flug vergeht die Zeit beim Erkunden von Städten und Natur, Faulenzen am Strand, Couchsurfing und WWOOFing. Nach 3 Monaten rät mir mein Kontostand mal nach einem Job Ausschau zu halten. In der aktuellen Wirtschaftskrise, die Australien plagt aber kein so leichtes Unterfangen. Nach einigem Hin und Her werde ich auf ein Workinghostel aufmerksam. Workinghostels sind Hostels in meist ländlicher Lage, die den dort wohnenden Backpackern landwirtschaftliche Tätigkeiten vermitteln. Ich beschließe, für eine Woche dorthin zu fahren und zu schauen, ob es dort Arbeit gibt.
Berri Backpackers
Nach einer turbulenten Nachtfahrt, bei der ich die komplette Zeit mit einer Aborigine verplapper und schließlich die gesamte Busbesatzung noch zum Baumschleppen anrücken muss (ein umgefallener Baum versperrt die Straße), stehe ich schließlich vor einem Gebäude mit der Aufschrift „Berri Backpackers“. Die Tür öffnet sich und ich werde auf deutsch mit „Willkommen im Berri Backpackers!“ begrüßt – wie es sich herausstellt ist der Hostelmanager Deutscher. Leicht verwirrt, da ich schon lange kein deutsch mehr gehört habe und dies mitten im australischen Nirgendwo auch nicht erwartet hatte folge ich ihm und werde direkt mit sämtlichen anwesenden Hostelbewohnern und der Anlage bekannt gemacht. Ich stelle fest, dass ich mich in einem kleinen Paradies befinde – mit Pool, Baumhäusern, Beachvolley- und Tennisplatz und Sauna. Alles ist aufwendig und gemütlich dekoriert mit Mitbringseln aus aller Welt. Was ich jetzt noch nicht weiß: dieser Ort wird meine Heimat für die nächsten 3 Monate werden (von wegen 1 Woche!).
Schnell finde ich Anschluss und eine Stunde später tummele ich mich bereits auf dem Beachvolleyballplatz unter der australischen Spätsommersonne. Ein Schwung neuer Hostelbewohner kommt an. Der Moment, an dem ich meine prägenden Reisebekanntschaften treffe ist gekommen.
Prägende Reisebekanntschaft No. 1: Pieter
„Hallo, ich bin der Pieter. Ich komm aus Holland!“ stellt sich mir ein braungebrannter Riese mit strohblonden Haaren und blauen Augen vor. Hach, dieser süße Akzent. Wahrscheinlich war es schon in diesem Moment um mich geschehen. Nach einem feuchtfröhlichen Abend folgt der erste Kuss und 2 Wochen später haben wir einen eigenen Couple Room – in Form einer quietschgelben Kinderspielhütte mit Disneypostern und Bananas in Pyjamas-Vorhängen. Und einem Hund vor der Tür. Aus Plastik. Nach 3 Monaten Weintrauben-, Orangen- und Mandarinen pflücken, Pfirsiche halbieren und am Fließband Obst und Gemüse sortieren soll die Reise weitergehen. Pieter hat die Backpackertrophäe schlechthin – ein Auto. Ich bin frei und steige mit ein. Zusammen mit Antje (zu der ich später noch komme) und Marie geht die Fahrt los in Richtung rotes Zentrum. Die kommenden Monate vergehen mit reisen, arbeiten und wechselnden Reisebegleitern – nur Pieter und Antje sind immer dabei. Als 8 Monate später der Moment gekommen ist, an dem ich meine Koffer packen muss und Richtung Heimat ziehe, führen Pieter und ich noch immer den Status Urlaubsbeziehung. Und er ist fest davon überzeugt, dass wir uns nie wiedersehen werden. Doch der Kontakt wird weiterhin gehalten. Nach seinem Thailand- und meinem Schweden-Aufenthalt sehen wir uns das erste Mal wieder – in Holland. Doch noch ist die Zeit nicht gekommen, ein weiteres Jahr zieht ins Lande bis ich den Schritt wage und nach Holland ziehe. Das war vor 4,5 Jahren. Viel ist passiert seither. Und gleichzeitig wenig. Er ist nach wie vor meine liebste Reisebegleitung. Er ist mein Gewissen, wenn ich mich mal wieder vor Enthusiasmus nicht halten kann und drohe, undurchdachte Entscheidungen zu treffen. Er ist mein Retter in der Not mit seiner pragmatischen Art an Probleme heranzugehen. Er ist mein Sparfuchs und meine Bank zugleich, da er im Gegensatz zu mir nie in Geldnöte kommt. Und wir können beide super mit- und übereinander lachen. Lustige Versprecher in der Sprache des jeweilig anderen inbegriffen.
Prägende Reisebekanntschaft No. 2: Antje
Ehrlich gesagt kann ich mich nicht mehr richtig an unser Kennenlernen erinnern. Ich weiß nur, dass Antje mich zuerst nicht so richtig mochte. Kein Wunder, war ich doch die „Dahergelaufene“, die sich kurzerhand Pieter schnappte. Antje und Pieter kannten sich schon ein paar Wochen und hatten nachdem Antje Pieters Bier leergetrunken hatte schnell Freundschaft geschlossen. Stundenlang konnten die beiden über die Weinreben hinweg (an denen sie gerade von beiden Seiten pflückten) über Gott und die Welt philosophieren. Nach einiger Zeit erhielt ich wohl Antjes Segen und spätestens als wir zusammen weiter reisten waren wir ein Team. An Antje habe ich immer ihre unerschütterliche gute Laune bewundert. In den 8 Monaten, die wir miteinander gereist sind ist ihr nur ein einziges Mal eine Laus über die Leber gelaufen. Und das, weil wir ihr nicht ihre Ruhe beim „Frühstückchen“ gegönnt haben. Denn ein richtiges „Frühstückchen“ braucht Zeit. Auch eine Ameisenstraße, die quer über Antjes Nachtlager führte oder eine sich jeden Tag aufs Neue in der Mitte entblasende Luftmatratze konnten Antje nicht aus der Ruhe bringen. Beneidenswert! Darüber hinaus ist Antje die Unkompliziertheit und Spontanität in Person. Und wenn sie mal wieder einen Lachanfall bekommt, lacht garantiert jeder mit. Außer der Campingplatzwärter. Der hat uns mal schnell ausquartiert an den Strand.
Natürlich habe ich auch jede Menge andere interessanten Menschen auf Reisen kennengelernt. Doch niemand hat mein Leben so beeinflusst wie Pieter und Antje. Reisepartner zu finden, mit denen man durch dick und dünn gehen kann, deren Interessen, Rhythmus und Humor man teilt ist gar nicht so einfach. Umso glücklicher bin ich, dass ich gleich 2 davon gefunden habe und dass wir, beinahe 6,5 Jahre nach unserem Kennenlernen, noch immer zusammen unterwegs sind. Auf die nächsten 6,5 Jahre!
Hast Du schon einmal eine Reisebekanntschaft gemacht, die Dich geprägt hat? Erzähl es mir!
Dieser Artikel ist ein Beitrag zur Blogparade von Ariane von Heldenwetter zum Thema Reisebegegnungen sowie zur Blogparade von Christoph von jakobsweg-kuestenweg.com zum Thema Reisebekanntschaften.
13 Antworten zu “Prägende Reisebekanntschaften: Eine Geschichte aus dem Nähkästchen”
[…] von paradise-found über einen Holländer & eine Wahlitalienerin, die sie in Australien bereichert […]
Das waren schöne Zeiten!
Aber definitiv!! :) xx
[…] führen würde mich in Pisa zu verlieben?! Genauso war es aber. Wie ich in meinem Artikel über prägende Reisebekanntschaften bereits erzählt habe war die Wahlitalienerin Antje eine meiner prägendsten Bekanntschaften in […]
Ich klicke mich hier gerade so durch deinen Blog und weiß nicht, ob ich vor Rührung heulen oder vor Neid platzen soll. Dazu musst du wissen, dass ich eine hoffnungslose Romantikerin bin, und eure Geschichte trifft bei mir emotionsmäßig voll ins Schwarze! Wie unglaublich toll, dass ihr euch auf so abenteuerartige Weise kennengelernt habt, und dass ihr es geschafft habt, aus einer Urlaubsliebe eine feste Beziehung zu machen! Ich wünsche euch alles Glück der Welt und unzählige, aufregende gemeinsame Reisen!
Liebe Rosa!
Hach, wie schön, dass es auf der Welt noch hoffnungslose Romantiker wie Dich gibt :) Vielen lieben Dank für Deinen Kommentar! Habe mich sehr darüber gefreut. Ich muss übrigens auch noch jedes Mal schmunzeln, wenn ich erzähle, dass ich meinen Freund, einen Holländer, ausgerechnet in Australien aufgelesen habe. Ich hoffe sehr für Dich, dass Du eines Tages eine ähnlich romantische Begegnung hast (oder schon gemacht hast?!). Ich wünsche Dir alles Liebe! ♥ Und vielen Dank für die Wünsche, hoffe sehr, dass sie sich bewahrheiten!
Liebste Grüße, Kerstin
[…] einiger Zeit habe ich bereits verraten, wie ich in Holland gelandet bin. Im Februar 2011 kündigte ich also meinen Job in Deutschland, packte meine Siebensachen und zog […]
Ach, was für eine wunderwunderschöne Geschichte <3 Wie romantisch! Ich glaube, so etwas gibt es nicht so oft auf der Welt :) Vielen Dank für die Teilnahme an meiner Blogparade und für diesen tollen Text!
Vielen Dank liebe Ariane, auch für die Möglichkeit im Rahmen Deiner Blogparade diese Geschichte zu teilen! :)
Liebe Grüße,
Kerstin
[…] Paradise Found: Prägende Reisebekanntschaften […]
[…] Kerstin von Paradise Found hat in Australien gleich zwei besondere Menschen getroffen. Mit dem einen lebt sie heute, sechseinhalb Jahre später, gemeinsam in Holland. Mit der anderen ist sie immer noch befreundet – und die drei sind immer noch zu dritt gemeinsam unterwegs! Zum Artikel. […]
Was für eine tolle Geschichte! Ich freue mich gerade unbekannterweise sehr für dich, dass du mit diesen beiden besonderen Menschen immer noch befreundet/zusammen bist :) Und Hut ab vor deiner Enstcheidung, nach Holland zu ziehen!
Liebe Grüße,
Malika
Hallo Malika,
freut mich, dass Dir meine Geschichte gefällt. Ich bin auch sehr froh, diese beiden tollen Menschen in meinem Leben zu wissen. Schon nächste Woche brechen wir wieder einmal zusammen zu neuen Reisen auf! Und die Entscheidung nach Holland zu ziehen viel mir in dem Moment selbst ganz leicht, das Bewusstsein kam erst viel später ;)
Liebe Grüße,
Kerstin